Zugegeben: es ist nicht unbedingt sympathisch, eine Kolumne mit der Drohung zu beginnen, man sage jetzt, wo Bartli den Most holt. In unserem Sprachverständnis meint man damit, dass man etwas besser wisse und man jetzt mal sagt, «was Sache ist».
Die Herkunft dieses geflügelten Wortes ist nicht restlos geklärt. Es gibt zwei Varianten, welche oft genannt werden. Eine handelt von einem Knecht namens Bartel, der wegen einer schönen Kellnerin den Most nicht dort holte, wo es ihm aufgetragen wurde, sondern heimlich ins Wirtshaus geht, um seine Angebetete zu treffen. Die andere nimmt Bezug auf den Bartholomäustag am 24. August. Wer zu diesem Datum noch keinen Most ausschenken konnte, dem drohte an vereinzelten Orten der Entzug der Schankberechtigung. Dabei kann es sich nicht um Traubenmost sondern nur um neuen Apfel- und Birnenmost gehandelt haben. Wer es schaffte, war offenbar ein kluger und gewitzter Schankwirt, welcher von sich behaupten konnte, dass er es tatsächlich besser weiss.
Wenn man von Most sprach, meinte man zu der Zeit sauren Most. Also vergorener Saft, bei dem der Zucker – wie beim Wein – von Hefebakterien in Alkohol umgewandelt wurde. Dieser Prozess geschah in einem mehr oder weniger sauberen Keller von alleine. Da es immer und überall Hefebakterien hat, nimmt dieser Prozess eigenständig seinen Lauf. Nur in einer nicht reinen Umgebung klappt das nicht immer: wenn es schmutzig und säuerlich ist, dann hat es mehr Milchsäurebakterien und aus dem Most wird Apfelessig, was allerdings mindestens heute ein ebenfalls sehr geschätztes Produkt ist.
Im Mittelalter wurden die Menschen nicht vom Alkohol sondern von schmutzigem Wasser krank. Apfelmost wurde daher sehr oft mit Wasser vermischt, damit der Alkohol das Wasser desinfiziert. Gekannt haben dieses Getränk auch schon die alten Römer, welche dazu «Siceris» sagten.
Heute ist Most, «suuure Moscht», Apfelwein oder Cyder – das englische Wort, das seinen Ursprung offensichtlich im Begriff «Siceris» hat – ein Getränk, welches vor allem nördlich der Alpen gerne getrunken wird. Geniesser schätzen vor allem auch sein leicht herber Geschmack. Damit der Most diese leicht ruche Note bekommt, wird er aus den gerbstoffreicheren Mostäpfeln gekeltert. Je nach Region werden noch mehr oder weniger Mostbirnen und Quitten mitgepresst und vergoren. Natürlich sind alle Sorten unterschiedlich süss und unterschiedlich gerbstoffreich. Als Faustregel kann man aber sagen, dass ein höherer Anteil Äpfel den Most milder und mit mehr Birnen und Quitten herber machen.
Als Süssmost bezeichnet man den ganz frisch gepressten Saft, welcher noch nicht vergoren ist und also noch seinen ganzen Zuckergehalt hat. Seit Louis Pasteur entdeckt hat, wie man Hefebakterien mittels Pasteurisierung im Schach halten kann und den Gärprozess verhindert, können wir das ganze Jahr Süssmost trinken.
Als die Menschen entdeckten, dass man mittels Destillation aus vergorenen Fruchtsäften fast reinen Alkohol herstellen kann, haben unzählige Brennereien aus dem vergorenen Most Schnaps hergestellt. Die etwas verwöhnteren Franzosen haben das Destillat anschliessend noch etwas im Holzfass reifen lassen und es alsdann als Calvados genossen. Hierzulande nannten es die Bauern Träsch, Bätzi oder Bätziwasser.
Die hoch alkoholhaltigen Getränke führten unweigerlich dazu, dass es landein und landaus zu allen Folgeproblemen von übermässigem Alkoholkonsum kam. Die Schweizer Landesregierung wusste sich nicht anders zu helfen, als die grossen Mostobstbäume fällen zu lassen. Jeder Bauer, welcher seine Bäume fällte, bekam zwischen 1950 bis Mitte der 70er Jahre eine – man ist versucht zu sagen «saftige» – Fällprämie. In der Zeit wurden in der Schweiz über 11 Millionen Bäume umgetan.
Zu spät hat man realisiert, dass damit eine urtypische Schweizer Kulturlandschaft verschwindet. Nicht nur hat sich das Landschaftsbild dramatisch verändert. Es verschwand damit auch der Lebensraum für unzählige Vogelarten, Fledermäuse und Insekten.
Dem Alkohol- und damit dem Fällrausch konnte zum Glück Einhalt geboten werden. Heute zählen Cyder, Apfelwein – teilweise sogar reinsortig gekeltert – und Obstbrände zu gesuchten Delikatessen. Kleine und grosse Mostereien produzieren heute hochwertige Getränke mit und ohne Alkohol. Das Apfelsaftschorle ist in der Schweiz eines der meistbestellen Erfrischungsgetränke in der Gastronomie. Deshalb werden in der Schweiz mit Hilfe von Hochstamm Suisse wieder Hochstammbäume angepflanzt und mit viel Liebe gepflegt. Darauf können wir freudig anstossen, zum Beispiel auch mit Chlöpfmoscht, wie perlender Apfelchampagner augenzwinkernd genannt wird.