November 20, 20193 Comments

Rührselig in den Feierabend

Kürzlich beschrieb mein Kollege Andreas W. Schmid an dieser Stelle, was dem vielfältig interessierten Kolumnisten beim Schreiben alles droht: Höchstleistung sei verlangt und ständig besteht die Gefahr des Bluthochdrucks, Schreibstaus, gar Burnouts. Ein Mentaltrainer versprach Abhilfe – am Schluss hat nur noch geholfen, den Laptop im hohem Bogen wegzuwerfen.

Mein Vorschlag an ihn und alle, welche gehetzt durch den Tag eilen: Kochen Sie selbst, langsam und sinnlich. Selbstverständlich habe auch ich ab und zu Tage, an denen es nicht nach Plan läuft. Etwas verheit oder gelingt nicht auf Anhieb, man findet nicht, was man suchte oder etwas wird versäumt und dann fehlt die Zeit. Aber ich bin sicher: Gehetzt essen und Fast Food ist dann nicht die Lösung.

Jetzt hilft nur genussvolle Entschleunigung: wir kochen einen Risotto. Zuerst entledigen wir uns nervender Technik: keine Handys, die ständig surren oder gar – wie ich kürzlich gesehen habe – daran erinnern, ab wann man essen oder fasten soll. Keine Fitness-Tracker, die nur Rastlosigkeit fördern. Keine Smart- und Digitaluhren, die in aufwendigen Darstellungen visualisieren, wie die Sekunden verstreichen. Sondern ein gescheites Holzbrett und ein scharfes Messer, gescheite Töpfe (ich bin ein grosser Fan von Emaille-Pfannen), eine Flasche Weisswein und eine mechanische Uhr, denn verkochen soll der Risotto ja trotz allem nicht. Ziel ist es, dass der Risotto die sämige Schlotzigkeit und den Biss hat, den die Italiener al dente nennen. Das gelingt nur, wenn man sich mit Hingabe und Konzentration diesem Gericht widmet.

Es gilt ein paar Grundregeln zu beachten. Die erste Herausforderung liegt in der Wahl des Reises. Die bekanntesten Sorten sind Arborio, Vialone und Carnaroli, die teilweise im Tessin, aber vorwiegend in der Poebene und im Piemont angebaut werden. Arborio ist der meistverkaufte Risottoreis, der auch am meisten Stärke beinhaltet. Dadurch neigt Arborio allerdings mehr zum Verkleben als der Vialone, welcher in der Konsistenz meistens cremiger bleibt. Arborio ist also die richtige Wahl, wenn Sie Arancini machen wollen – die gefüllten, frittieren Reisbällchen, die Sie das letzte Mal in Sizilien gegessen haben. Die teuerste, aber für gute Risotti optimale Wahl ist der Carnaroli. Er ist ein grosskörniger Risottoreis der Kategorie Superfino. Seine Körner sind gross und lang mit einer schlanken Perle seitlich der Mitte und einer weissen Fruchtwand.

Das Grundrezept ist einfach: Für zwei Personen in wenig Butter oder Olivenöl eine halbe, sehr fein gehackte Zwiebel anziehen lassen und danach zwei knappe Tassen Risotto glasig werden lassen. Dann mit einem Glas guten, trockenen Weisswein ablöschen. An diesem Punkt die Hitze reduzieren und die Flüssigkeit einkochen lassen. Die auf der Flamme nebenan vor sich hin köchelnde Fleischbouillon nach und nach zugiessen. Selbstverständlich hätten Sie es verdient, einen Risotto zu essen, bei dem auch die Bouillon selbst gemacht ist. Ich verstehe aber, dass Sie hierfür nach dem Feierabend eines geschäftigen Tages vielleicht keine Zeit haben. Verwenden Sie aber dennoch nicht einfach einen Würfel, in dem Dinge zusammengepresst wurden, welche Sie nicht essen wollen. Es gibt gute Fonds oder Extrakte, die eine passable Bouillon ergeben.

Von der Brühe immer nur so viel hinzugeben, dass der Reis gerade bedeckt ist. Dabei bei schwacher bis mittlerer Hitze und unter ständigem Rühren den Reis langsam al dente köcheln. Mit ständig ist nicht oft, sondern immerfort gemeint: nur so lässt sich dem Reiskorn die Stärke entlocken, welche für die Sämigkeit so unabdingbar ist. Das dauert je nach Reissorte bis zu 20 Minuten. Sollten Sie auf die Idee kommen, statt ständig zu rühren, den Thermomix zu programmieren, ist die ganze Entschleunigungstherapie für nichts.

Risotto ist eines der ganz wenigen italienischen Gerichte, wenn nicht gar das einzige, wo Sie Butter verwenden sollten. Sobald der Risotto gar ist, ziehen Sie die Pfanne vom Herd, fügen grosszügig Butter hinzu und verrühren sie mit dem vorher frisch geriebenen Parmesan. Geben Sie dem Risotto jetzt zugedeckt noch zwei Minuten Zeit, um zur Ruhe zu kommen.

Eine italienische Weissheit besagt: «Der Risotto wartet nicht auf die Gäste, die Gäste warten auf den Risotto.» Im besten Fall sitzen Sie also in nächster Nähe der Kochstelle und trinken schon mal ein Glas Weisswein. Spätestens jetzt wissen Sie, wieso Sie auch zum Ablöschen einen guten Wein verwendet haben. Und jetzt sollte es auch mit dem Entspannen klappen.

November 6, 2019No Comments

Sauteuer – Oder was kostet eine Wildsau?

Kürzlich wurde ich gefragt, ob ich wüsste, warum es in der Schweiz so schwer ist, Wildschweinfleisch zu bekommen. Man lese doch allenthalben, dass es zu viele Wildschweine gäbe, dass gerade in der Nordwestschweiz diese Plage – ähnlich wie die Räuber – über die grüne Grenze aus dem Elsass kommen und sich die Sauen nach ihren Beutezügen mit vollem Ranzen wieder aus dem wortwörtlichen Staub machen. Und wenn man dann mal Wildschwein kaufen könne, sei es richtig teuer.

Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass uns unser Essen nicht genug gut und teuer sei kann. Wer sich ein bisschen damit beschäftigt, wie billiges Essen «gemacht wird», der wird sich in Zukunft vielleicht zwei Mal überlegen, ob er wirklich das billigste seinem Körper zuführen will oder ob dieser nicht etwas Besseres verdient hat. Damit ist natürlich nicht in erster Line das Filetstück gemeint, sondern Nahrungsmittel, die von hier kommen, jetzt Saison haben und ohne unverhältnismässigen Ressourceneinsatz produziert werden. Dass einem da freilebende Wildtiere in den Sinn kommen, liegt auf der Hand.

Da ich zwar weiss, wie man das Fleisch einer Wildsau zubereiten kann, aber nicht, was es braucht, um eine zu erlegen, habe ich mich mit Roger Zogg bei ein paar Gläsern Wein und Rädli Jagdwurst darüber unterhalten. Zogg ist eigentlich Architekt und war bis vor Kurzem vor allem Bauherren ein Begriff. Gastronomen und Geniessern ist er neuerdings auch als passionierter Jäger und Produzent von Wilddelikatessen bekannt. Passionierter Jäger sein heisst allerdings nicht, mit dem Geländewagen in den Wald zu fahren und mit dem grössten Gewehr auf alles zu schiessen, was sich auf vier Beinen bewegt. Jäger zu sein heisst zuerst einmal den Lebensraum der Wildtiere und die Artenvielfalt zu erhalten. Dazu gehören auch das Beobachten, Zählen und Erfassen der Tierbestände oder das Retten von Jungtieren während der Mäh- und Erntezeit. Ausserdem betreibt der Jäger Forst- und Flurpflege, schneidet, rodet und mäht, wo es sein muss.

Ein «natürliches» Gleichgewicht in freier Wildbahn gibt es in Kulturlandschaften wie der Schweiz nicht mehr. Artenschutz bedeutet deshalb auch, dass die Wildtierbestände von Jägern in ökologisch tragbaren und sinnvollen Grenzen gehalten werden.

Gerade die Wildschweine sind jedoch prinzipiell schwierig zu erlegende Tiere, da sie äusserst schlau und vorwiegend nachtaktiv sind. Es kann also durchaus sein, dass man mit 85 Stunden Ansitz rechnen muss, um nur eine einzige Sau zu erlegen.

Wildschweinfleisch ist aber sehr schmackhaft und eignet sich sehr gut für den Genuss. Allerdings ist dessen Verarbeitung und Handel etwas aufwändiger, da die Sau als Allesfresser nach der Schlachtung einer Trichinenschau durch einen amtlichen Tierarzt bedarf. Ausserdem ist der Wildschweinhandel hierzulande noch nicht breit etabliert, da die Nachfrage (bisher) nicht so gross ist.

Die wertvolle Arbeit der Jäger wird hauptsächlich durch den Ertrag des Fleisches finanziert. Auch hier weiss Roger Zogg, von was er spricht. Mit dem Projekt Wilde 13 verkauft er das Fleisch an Menschen, welche auf der Suche nach ursprünglichem Genuss sind. «Ich kann nur sagen, dass es oftmals auch bei uns heisst, unser Fleisch sei ‹teuer›. Wenn man dann aber erklärt, was alles dahintersteckt, bis das Fleisch auf dem Tisch ist und was auch die Qualitätsunterschiede ausmachen, ist das Preisthema oft gleich ‹gegessen›».

Wer wie Zogg die Tiere erstmal in der freien Wildbahn erlegt, ausgenommen und ein paar Stunden den Berg runtergebuckelt hat, legt Wert darauf, dass der Aufwand nicht vergebens ist. Daher wird das Fleisch immer zuerst ein paar Tage in der Kühlkammer abgehängt und gereift, bevor es beim Metzger zu Würsten und Trockenfleisch verarbeitet wird.

Wer immer noch denkt, Wildsau müsste aber billig und nicht nur günstig sein, darf Roger Zogg gerne auf der nächsten Pirsch begleiten.

Sollten Sie zu frischem Wildscheinfleisch kommen und haben Lust auf den unverfälschten Geschmack, versuchen Sie ein Wildschwein-Tartare: das Fleisch von Hand in kleinste Stücke schneiden und nach Geschmack würzen. Wenn Sie dem Umami-Geschmack des Fleisches noch zusätzlich betonen wollen, verwenden Sie auf ein halbes Kilo Fleisch einen knappen Esslöffel Misopaste. Ist Ihnen das zu wild, bestellen Sie bei Roger Zogg auf www.wildedreizehn.com das Probierset für Eingefleischte.

Oktober 1, 2019No Comments

Jetzt geht es ans Eingemachte: C02-neutral konservieren

Die Gemüter sind noch erhitzter als der vergangene Sommer, und die Auseinandersetzungen können leider längstens nicht mehr als sachlich bezeichnet werden. Nicht nur bei uns, wo über 4’600 Menschen für den National- oder Ständerat kandidieren, überbieten sich die Kandidatinnen und Kandidaten mit Meinungen, ob sich das Klima nun verändert oder nicht.

Gewisse Äusserungen sind dermassen abstrus, dass man sich als Jemand, der sich oft und gerne in Küchen aufhält, am liebsten aus einem alten Abtropfsieb einen Aluhelm bauen möchte, um sich gegen alle Verschwörungen gewappnet zu wissen.

Ich masse mir nicht an, zu beurteilen, wie sehr wir in der Küche das Klima beeinflussen können. Ganz ohne Auswirkungen wird unser Handeln aber sicher nicht sein. Das wusste auch Adolf Ogi, welcher 1988 der Nation beibrachte, wie man hierzulande das Frühstücksei kocht.

Energie verbrauchen wir aber nicht nur beim Kochen. Auch das Konservieren oder Haltbarmachen, ist gewöhnlich mit Energieverbrauch verbunden. Weil wir meinen, für nichts mehr Zeit zu haben, lassen wir unser Essen in Fabriken herstellen, in viel Plastik verpacken, um es dann gekühlt oder tiefgefroren per LKW durch die Lande transportieren zu lassen, dann zu kaufen, zu Hause weiter zu kühlen, bis wir es dann mit Hitze wieder auftauen.

Unsere Urgrossmütter hatten noch keinen Kühlschrank und haben Lebensmittel immer mit Hilfe der Natur konserviert. Wer ein bisschen mehr Zeit und Lust auf neue Geschmäcker hat, der kann mit diesem alten Wissen wunderbare und teilweise überraschende Ergebnisse erzielen.

Möglichkeiten ohne Energieverbrauch Nahrungsmittel haltbar zu machen gibt es viele: An der Luft oder im Salz trocknen lassen, mittels Edelfäule vor unkontrolliertem Verderben schützen oder im Essig, Öl oder Alkohol vor Sauerstoff schützen. Die Lebensmittel nicht nur konservieren, sondern mit einem Surplus an Geschmack und Nährstoffen geradezu veredeln kann man, wenn man sie fermentiert.

Das Wort Fermentieren leitet sich vom lateinischen fermentum ab und bedeutet «Gärung». Am bekanntesten ist die so genannte «wilde Fermentation». Sie basiert lediglich auf Milchsäurebakterien, welche auf ganz natürliche Weise nahezu überall vorkommen, sofern man ihnen nicht mit Konservierungstoffen den Garaus macht.

Im Verlauf der Gärung werden Kohlehydrate – also Stärke und Zucker – mit Hilfe von Bakterien in Milchsäure und Kohlenstoffdioxid umgewandelt. Aber keine Sorge! Der Prozess ist dennoch C02-neutral: es wird maximal das CO2 freigesetzt, welches die Pflanze aufgenommen hat.

Es hört sich einfach an: Das Gärgut wird mit naturbelassenem Salz vermischt, welches fäulnisbildende Bakterien so lange in Schach hält, bis sich genügend gute Bakterien gebildet haben, die Milchsäure produzieren. In dieser sauren Umgebung fühlen sich unerwünschte Bakterien und Mikroorganismen dann nicht mehr wohl. Gleichzeitig wird während des Gärprozesses Sauerstoff verdrängt. Der entstehende Sauerstoffmangel unterdrückt so die Entwicklung von Mikroorganismen wie etwa Schimmelpilz.

Tatsächlich sind die Vorgänge während der Fermentation aber hochkomplex. Der Vorsitzende der Gesellschaft Deutscher Lebensmitteltechnologen, Prof. Herbert J. Buckenhüskes, weiss: «Die Fermentation ist ein kompliziertes Netzwerk von sich gegenseitig beeinflussenden mikrobiellen, enzymatischen, chemischen, biochemischen und physikalischen Prozessen, dessen Einzelreaktionen sich meist einer isolierten Betrachtung entziehen.»

Lassen Sie sich davon aber nicht entmutigen, denn die Milchsäuregärung hat grosse Vorteile. Es bleiben dabei die meisten Nährstoffe enthalten und die Milchsäurebakterien produzieren Vitamin B12, das sich sonst nur in tierischen Produkten findet.

Ein einfaches und zugleich sehr überraschendes Rezept sind Salzzitronen, welche Sie vielleicht noch von Ihren letzten Ferien in Marokko kennen: im Magreb werden die Salzzitronen gerne in Gerichten aus der Tajine verwendet. Sie bereichern Ihre Küche bei allen Gerichten, die nach Salz und Zitrone verlangen.

Vier bis fünf mittelgrosse Bio-Zitronen vierteln, ohne sie ganz aufzuschneiden. In einer Schüssel 65 gr. Salz, ein Esslöffel Schwarzkümmelsamen und zehn Safranfäden mischen. Diese Gewürzmischung grosszügig über die Schnittflächen der Zitronen streuen. Die Zitronen dicht in ein Schraubglas (500 ml) schichten und fest zusammendrücken, um den Saft freizusetzen, so dass alles Zitronen von der Flüssigkeit bedeckt sind. Die restliche Gewürzmischung draufstreuen. Das Schraubglas gut verschliessen und an einem dunklen Ort mindestens vier Wochen ziehen lassen. Je länger sie fermentieren dürfen, desto komplexer wird ihr Aroma. Nach dem Öffnen im Kühlschrank aufbewahren. So halten sich die fermentierten Zitronen mehrere Monate.

Einkaufstipp: Eine ambitionierte Fermentista ist Mimmi, welche an jedem ersten Samstag im Monat am Markt in der Basler Markthalle anzutreffen ist.

September 12, 2019No Comments

Black Pudding – Oder die beleidigte Blutwurst.

Während Generationen war England aus kulinarischer Sicht ein verlässlicher Partner, der zu keinen Diskussionen Anlass bot. Keine Kontroverse darüber, ob nicht doch etwas an dieser Küche delikat ist, sondern höchstens ein Auftrumpfen mit einem noch schlimmeren kulinarischen Erlebnis. Böse Zungen behaupten, das Britische Empire hätte nur deshalb die halbe Welt kolonialisiert, damit es zu Hause endlich mal was gescheites zu essen gibt.

Doch seit ein narzisstischer Politclown das Sagen in der Küche von 10 Downing Street übernommen hat, ist nichts mehr wie früher. Plötzlich soll diese leicht versnobte britische Weltoffenheit einem kruden Nationalismus und einer Abneigung gegen «Fremdes» weichen? Hüben wie drüben des Ärmelkanals rechnet man bereits mit dem Schlimmsten. Wird es nach dem 31. Oktober 2019 in den Restaurants von London noch Bordeaux zu trinken geben? Kann man in den Pubs von Berlin noch englisches Ale, Stout oder Porter bekommen? Niemand weiss es: der wild gewordene Premierminister richtet ein politisches und wirtschaftliches Blutbad an, dessen Folgen nicht vorhersehbar sind. Sollte es doch nicht zum Brexit kommen, so hat der blonde Boris in Aussicht gestellt, sich tot in einen Graben legen zu wollen. Egal also welchen Ausgang es nimmt: es wird Blut fliessen. Grund genug, den Ruf der englischen Küche etwas aufzumöbeln und uns mit Hingabe dem delikaten Black Pudding zu widmen.

Die Schotten essen den Black Pudding gerne zum Frühstück. Auch in grossen Teilen Englands wird er geschätzt. Black Pudding ist dennoch eine der am meisten polarisierenden Spezialitäten. Von den einen geliebt, von den anderen verabscheut – wahrscheinlich leider ohne ihn je probiert zu haben.

Dabei sind wurstähnliche Gerichte aus Blut quasi so alt wie die Menschheit selbst. Erste schriftliche Zeugnisse eines ähnlichen Gerichts findet sich im Jahr 800 vor Christus in der Odysee von Homer. Ob Blutwurstprodukte allerdings von den Römern als mediterrane Spezialität bei ihrer Eroberung Europas verbreitet wurden oder ob sie eher bei den Barbaren aus dem Norden auf dem Menü stand, ist unklar.

In Zeiten, in denen die Bevölkerung ärmer war, hatte man immer sehr darauf geachtet, sämtliche Teile eines geschlachteten Tieres zu verwenden, auch das Blut. Die Kapriolen der selbstverliebten Populisten, welche behaupten, sich für das Wohlergehen des kleinen Mannes einzusetzen, haben allerdings das Zeug dazu, dass es wieder soweit kommen könnte. Aber keine Sorge! Black Pudding enthält neben vielen Kalorien sehr viele Proteine, was das Sättigungsgefühl länger andauern lässt, sowie viel Zink und Eisen.

Und so wird es gemacht: Eine Tasse Gerste und eine Tasse Reis kochen. Währenddessen einen halben Laib altes Brot in kleine Würfel schneiden und mit drei Hand voll Haferflocken in eine Schüssel geben, mit 1,2 Litern Milch übergiessen, durchmischen und im Ofen erwärmen – aber nicht kochen. Je nach Geschmack kann die Menge des Brotes auch etwas reduziert und dafür mehr Haferflocken verwendet werden. Jetzt 1,2 Liter frisches Schweineblut in die Mischung einrühren. Die gekochte Gerste und Reis dazugeben und mit 400 Gramm Rindernierenfett einrühren. Das Fett – es wird auch Rindertalg genannt – gibt es in spezialisierten Geschäften, in grossen Drogerien oder online.

Die Masse mit Salz, Pfeffer und etwas getrockneter Minze würzen. Das Gericht soll herzhaft schmecken. Die Masse in einen Wurstdarm füllen, abbinden und während mindestens 90 Minuten in knapp siedendem Wasser kochen. Danach die Wurst erkalten lassen. Der Black Pudding ist jetzt schnittfest und wird, in fingerdicke Scheiben geschnitten, vor dem Genuss noch kurz angebraten.

Lassen Sie sich vom politischen Theater nicht den Appetit verderben. Denn bereits Otto von Bismarck wusste: «Nicht durch Reden oder Majoritätsbeschlüsse werden die grossen Fragen der Zeit entschieden, sondern durch Eisen und Blut.»

Einkaufstipp: Seit Dominic Lambelet in Irland war, gibt es die stadtbesten Ravioli von Paste Ines ab und zu auch mit Black Pudding. Viel kulinarisches Europa in einem Ravioli! www.paste-ines.ch

September 12, 2019No Comments

Finocchietto selvatico

Ende August geht auch in Italien der Hochsommer zu Ende. Italiens wichtigster Feiertag Ferragosto ist bereits vorbei und in der Nacht überzieht eine leichte Feuchtigkeit die Erde. Wer zu der Zeit in der Maremma und im nördlichem Latium statt von der Klimaanlage halb tiefgefroren mit offenem Fenster oder gar offenem Dach auf schlecht geteerten Strassen über Land fährt, der wird sich ab und an fragen, wieso es so betörend riecht. Entweder fahren Sie in dem Moment durch eine Pinienallee und Sie riechen den süsslich-harzigen Geschmack der Pinienzapfen, von welchen im kommenden Sommer die Pinienkerne geerntet werden. Oder aber Sie sehen am Strassenrand, in diesem Abschnitt zwischen der Hitze der Strasse und den dunklen Schollen der bereits grob gepflügten Acker, bis zu zwei Meter hohe, dünne Stängel mit kleinen, gelben Blüten. Dann haben Sie wilden Fenchel – Finocchietto selvatico – entdeckt.

Im Gegensatz zum Gewürzfenchel und Gemüsefenchel trifft man den wilden Fenchel hauptsächlich ausgewildert in Ländern rund um das Mittelmeer an. Er liebt unwirtliche Umgebungen und ist neben etwas zähem Unkraut die einzige Pflanze am Wegrand, welche die Hitze des Sommers ohne Pflege überlebt hat. (Erstaunlicher ist nur noch die Widerstandskraft des Oleanders, welcher nirgends so schön und üppig blüht wie im Mittelstreifen der Strada Statale Via Aurelia auf ihren letzten 200 Kilometern vor Rom)

Wenn Sie auf Ihrer Fahrt zurück vom Meer oder der romanischen Kirche am Strassenrand scheinbar liegengebliebene Ape – das kleine, dreirädrige Lastenmofa – oder alte Fiat Punto sehen, so haben die Besitzer nicht illegal ihre Gefährte entsorgt, sondern sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Suche nach Finocchietto. Beim Gemüsefenchel geht es bekanntermassen um die Wurzel, beim Gewürzfenchel um die Samen. Der Bitterfenchel, wie er auf deutsch gennant wird, wird hingegen wegen seines frischen, filigranen Laubes, das nach Anis schmeckt und vor allem wegen seiner reifen Früchte, die sich aus den gelben Doldenblüten entwickeln, gesucht und geschätzt.

Er wird deshalb als Bitterfenchel bezeichnet, weil sein ätherisches Öl im Unterschied zum Gewürzfenchel fast ein Viertel bitter schmeckendes Fenchon enthält. Dass bittere Inhaltsstoffe bei Gemüse und Gewürzen den Körper reinigen, ist eine Weisheit, welche nicht nur italienische Mammas kennen. Fenchol wirkt wachstumshemmend auf Bakterien und Pilze und belebend auf das menschliche Zentralnervensystem.

In der Küche verwendet man Finocchietto allerdings nicht nur wegen seiner Bitterstoffe, die Aromen sind nämlich deutlich vielfältiger. Zum Bitteren kommt eine herbe Süsse der Blüten hinzu, welche zusammen den Geschmack eines heissen Sommers bilden.

Die italienische Küche – vor allem in der Maremma und in der Tuscia – ist schnörkellos und konzentriert sich auf das zur Geltung bringen der perfekten Zutaten. Ein paar Stücke Lamm mit genügend Fett und ein paar in grobe Schnitze geschnittene Kartoffeln aus der neuen Ernte kommen für 1.5 bis 2 Stunden in den 160° grad warmen Ofen, wo das Fett langsam verläuft und alles mit genügend Zeit gart. Wenn Fleisch und Kartoffeln zart sind, wird alles mit etwas Meersalz, Pfeffer und grosszügig mit Finocchietto gewürzt.

Gut passen dazu auch noch ein paar Stücke Porchetta. Dafür werden grosse Sauen ausschliesslich mit Finocchietto, Salz und Pfeffer gewürzt und während 10 Stunden ganz am Spiess gebraten.

Zusammen mit Freunden isst und trinkt man bis spät Abends an der grossen Tafel und diskutiert dabei die neuesten Kapriolen der Politiker in Rom. Auch da reichen die Emotionen von bitter bis herb.