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Du willst ein neues Kapitel aufschlagen, Geschichte schreiben und das Wort ergreifen? Doch alles erscheint dir wie ein Buch mit sieben Siegeln und es verschlägt dir die Sprache? Machen wir eine lange Geschichte kurz: Ich nehme kein Blatt vor den Mund, kenne das A und O guten Contents und bringe es auf den Punkt. Ein Mann, ein Wort!

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Geflügelte Worte sind ein Spiegel unserer Gesellschaft. Doch ist wirklich «Aller Anfang schwer» und gewinnt nur «wer wagt»? Entdecke, ob der Klügere oder doch der frühe Vogel nach Rom führt.

Die polybinäre Maschine generiert mit Schalk und einer Prise digitalem Zufall ungeahnte Bedeutungen.

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Typewriter Studio Klartext

Du willst deinen Kunden, Lesern, Gästen mehr als heisse Luft bieten? Dann besuche mich im Studio Klartext. Dort biete ich Copywriting, Marketingkonzepte, Online Marketing und Content, der zu deinen Bedürfnissen passt.

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Als Geschichtenerzähler faszinieren mich die kreativen Möglichkeiten generativer, visueller KI. Bloss: Ein einzelner Prompt, der ein amüsantes Bild liefert, reicht noch nicht aus, um eine Geschichte zu erzählen. Eine wirkliche Geschichte entsteht erst dann, wenn ein roter Faden sichtbar wird – durch eine kohärente Bildsprache, wiederkehrende und unverwechselbare Charaktere. 

Tom Wiederkehr

Ich bin Fabulist, Storyteller, Kommunikator, Marketer, Texter, Konzepter, Kolumnist, freier Journalist, Autor.

Und ein Chronist der Extravaganz, Verfechter der Wortgewalt, Überzeugungstäter für Nachhaltigkeit, Propagandist der Zirkularwirtschaft, Unermüdlicher der Veränderung und noch vieles mehr ...

Wer kennt noch die Arcade Spielautomaten, wo man für 100 Lire die Welt vor den Space Invaders retten konnte? In «Space Writer 2000» sollst du nicht die Welt sondern nichts weniger als die universelle Schreibmaschine vor dem Untergang bewahren. Die Space Writer 2000 ist eine digitale Weiterentwicklung der grossartigen HERMES 2000. Das Spiel ist noch Beta, verzeih mir also allfällige Pannen.

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Nächstes Kapitel: Geschichten und Gedanken

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Ein Hoch auf die Hochstammzwetschge

Kürzlich habe ich mich für das Magazin «Regio aktuell» mutig auf die hohe Leiter gewagt und bin zusammen mit Vreni Wüthrich auf den Zwetschgenbaum gestiegen. Vrenis Familie gehört zu den engagierten Produzenten, die mit viel Herzblut Hochstamm-Gärten bewirtschaften. 
 «Ein Hoch auf die Hochstamm-Zwetschge»

Sie heissen Fellenberg, Bühler und Hauszwetschge. Die Rede ist von Zwetschgen, wie sie ab dem 19. Jahrhundert an vielen Orten im Baselbieter Jura angebaut wurden. Die Hochstammgärten wurden zu einem prägenden Element der hiesigen Kulturlandschaft. Unter Kulturlandschaft versteht man eine Landschaft, die von Menschen geschaffen, gepflegt und unterhalten wird.

 Hochstamm-Bäume – auch Chriesi, Äpfel, Birnen, Quitten, Mirabellen und Baumnüsse – waren für die Landwirte interessant. Die hohen Bäume waren eine perfekte Ergänzung auf Wiesen und Weiden: Sie boten den Tieren – meistens Rindern und Schafen – Schutz vor Witterung, der Boden trocknete nicht so schnell aus, und die tiefen Wurzeln schützten vor Erosion.
 
Aufwendige Ernte, reiche Belohnung
Das Ernten von Hochstamm-Obst ist naturgemäss mit einigem Aufwand verbunden. Es müssen hohe Leitern angestellt und die Früchte sorgfältig von Hand gepflückt werden. Der Lohn für diesen Aufwand sind Früchte mit einem äusserst vielfältigen Aroma. Mit Vielfalt von Aromen ist nicht einfach nur Süsse gemeint. Je nach Sorte begeistern die Früchte mit erfrischender Säure, komplexen Gerbstoffen oder betörendem Duft.
 Nicht immer wurde alles Obst jedoch von Hand als Tafelobst geerntet, sondern oft geschüttelt und aufgelesen, als es am Boden lag. Aus offensichtlichem Grund nennt man das Fallobst. Dieses Fallobst wurde dann im Fass zu einer Maische vergoren und später in der Brennerei zu Schnaps destilliert. Es kam, wie es kommen musste, wenn Menschen einen einfachen Weg finden, sich zu berauschen: Hochstamm-Obst wurde als Ursache für alle Folgeprobleme von Alkoholmissbrauch identifiziert, und der Staat suchte Wege, diese «Sucht» einzudämmen.
 
 Rückgang und Wiederaufleben der Hochstamm-Gärten
Bis in die späten 70er-Jahre bezahlte der Bund jedem Bauern, der seine Hochstamm-Bäume fällte – man ist geneigt zu sagen «saftige» – Fällprämien. Diese Massnahme war so effektiv, dass die traditionellen Hochstammgärten fast verschwanden. Zählte man in der Schweiz in besten Zeiten über 15 Millionen Bäume, waren es zum Schluss noch gut zwei Millionen.
 Die 60er- und 70er-Jahre waren geprägt vom Glauben an den technischen Fortschritt. Wieso soll man mühsam hohe Bäume bewirtschaften, wenn in Niederstamm-Kulturen alles viel einfacher «von der Hand» geht? Neue Errungenschaften in der Agrochemie und neu gezüchtete Sorten versprachen mehr Ertrag und weniger Arbeit. Die Sorten «Tophit» oder «Black Splendor» sind die neuen Verkaufsschlager. Die Black Splendor misst gemäss Beschreibung sechs bis sieben Zentimeter im Durchmesser. Wie soll da eine Hauszwetschge von zwei bis drei Zentimeter mithalten? Damit eine Zwetschge so gross werden kann, braucht sie natürlich viel Wasser, was aber in maschinell bewirtschafteten Anlagen kein Problem darstellt.
 Irgendwann begannen sich Menschen zu fragen, wieso plötzlich viele heimische Vogelarten vor dem Aussterben bedroht waren. Oder wo eigentlich die vielen Steinkäuze hingekommen sind? Fledermäuse, Bienen, Insekten – alle plötzlich deutlich dezimiert. Bis man realisierte, was für ein wichtiger und vielseitiger Lebensraum der Hochstamm-Baum ist und welch grossen ökologischen Nutzen er während seines oft mehrere Generationen überdauernden Lebens erbringt.
 
Gutes tun und gutes essen
Gleichzeitig begannen sich die Konsumenten zu fragen, wieso die zwar grossen und glänzenden Zwetschgen kaum mehr Geschmack haben. Die Antwort wissen zum Beispiel Dora Meier vom Projekt «Posamenter» oder Vreni Wüthrich vom Biohof Horn. Etwas rhetorisch stellen sie die Gegenfrage, wie denn Geschmack in eine Frucht kommen soll, wenn sie fast nur aus Wasser besteht und die kleinen Bäumchen kaum Wurzeln haben, die Mineralstoffe aus dem Boden gewinnen können? Die neuen Sorten erreichen zwar eine respektable Grösse, aber nicht mehr die gleiche Aromaintensität.
 
 Dank Persönlichkeiten wie Dora Meier, die mit Posamenter aus Hochstamm-Zwetschgen von Produzentinnen wie Vreni Wüthrich erstklassige Produkte herstellen lässt und vermarktet, haben Hochstammgärten wieder eine Zukunft und können sinnvoll bewirtschaftet werden. Als Geniesserinnen und Geniesser profitieren wir gleich mehrfach: Feinste Delikatessen bereichern unseren Speiseplan, und dank des Genusses dieser Spezialitäten leisten wir ganz direkt einen Beitrag zum Klima: Hochstammbäume speichern über ihre Lebensdauer viel CO2, spenden viel Schatten und halten mit den grossen Wurzeln den Boden feucht. Selten hat Klimaschutz so gut geschmeckt
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#Grumpy Old Man, Folge 1

Heute hatte ich eine halbe Stunde Zeit zwischen zwei Terminen und war wieder mal auf dem Boulevard der Selbstverliebten (auch bekannt als LinkedIn) unterwegs. Das sollte man öfters tun! Dort weiss jeder genau, wie die Welt funktioniert, wie man garantiert – aber wirklich garantiert – erfolgreich wird und wie man selber bald zum #Gamechanger, #Disruptor oder #ThoughtLeader avanciert.
Zuerst hat mir Ivan Spataro unter einem Foto von sich selbst – er präsentiert sich als smarter Content Creator und Agenturinhaber – erklärt, dass #SocialMediaMarketing kinderleicht ist: Die Masse macht's, meinte er, und Content kann man einfach «copy & pasten». Warum selber kreativ sein, wenn es bei anderen schon funktioniert hat? Ich hätte ihn gerne auf LinkedIn in diesem Beitrag getaggt, aber er hat mich blockiert, als ich gefragt habe, ob es also okay sei, wenn ich sein schönes Foto kopiere.
 
Danach hat mir Yaël Meier zu wichtigen Erkenntnissen verholfen. Die sogenannte «Erklärerin der Generation Z» klärt mich in einen Post darüber auf, dass ein Maxiposter von adidas zur Fussball-EM ein totaler «Fauxpas» ist. (Adidas hat wohl wirklich wenig Ahnung von Marketing.) Statt die rund 66'000 Franken, die das Poster bei APG|SGA AG gekostet haben soll, hätte man auf Tiktok mehrere A/B-Videos testen und dann die «Menschen, die sich interessiert zeigen, mit weiteren Ads bespielen» sollen.
Es folgte eine längere Diskussion darüber, warum Marketinggelder zu Social Ads «geshifted» werden müssen und warum alles Analoge total falsch ist. Yaël Meier klärt mich auch darüber auf, warum sie so erfolgreich ist: Sie hat schon über 50 Projekte realisiert, bei denen sie «Kundenstamm oder die Belegschaft verjüngt» hat. Als ich kommentierte, dass ich froh bin, selbstständig zu sein und nicht zu einer «Belegschaft» gehöre, die verjüngt werden kann, schrieb mir ein Freund, dass ich ein «old man» sei. Da hat er völlig recht.
 
Ich bin altmodisch. Ich mag Bücher und schöne Magazine. Ich finde, ein Marketingfranken ist besser investiert, wenn er hier ausgegeben wird, statt auf einer chinesischen App. Ich finde, Social Media konnte sich noch «social» nennen, als man auf Augenhöhe miteinander kommunizierte und Unternehmen darin die Chance sahen, direkt mit ihren Kunden zu sprechen. Ich finde es nicht lustig, ständig mit «Ads bespielt» zu werden. Ich möchte nicht von Yaël Meier verjüngt werden. Und – stellt euch das mal vor! – ich kaufe nicht auf Temu und Wish ein. Dort, wo die ganze #GenerationZ ihr Geld ausgibt, nachdem sie oft genug mit Ads bespielt wurde.
 
Ebenfalls gelernt habe ich heute, dass diese wichtigen #Influencer ihre bedeutenden Beiträge – egal zu welchem Thema – immer mit einem Foto von sich selbst ergänzen. Das mache ich jetzt auch. Ihr seht hier einen «Grumpy old man».
Wo Bartli den Most holt

«Wo Bartli den Most holt»

Zugegeben: es ist nicht unbedingt sympathisch, eine Kolumne mit der Drohung zu beginnen, man sage jetzt, wo Bartli den Most holt. In unserem Sprachverständnis meint man damit, dass man etwas besser wisse und man jetzt mal sagt, «was Sache ist». Wer trotzdem wissen will, wo Bartli den Most holt, ist hier richtig.
«Wo Bartli den Most holt»

Zugegeben: es ist nicht unbedingt sympathisch, eine Kolumne mit der Drohung zu beginnen, man sage jetzt, wo Bartli den Most holt. In unserem Sprachverständnis meint man damit, dass man etwas besser wisse und man jetzt mal sagt, «was Sache ist».

 Die Herkunft dieses geflügelten Wortes ist nicht restlos geklärt. Es gibt zwei Varianten, welche oft genannt werden. Eine handelt von einem Knecht namens Bartel, der wegen einer schönen Kellnerin den Most nicht dort holte, wo es ihm aufgetragen wurde, sondern heimlich ins Wirtshaus geht, um seine Angebetete zu treffen. Die andere nimmt Bezug auf den Bartholomäustag am 24. August. Wer zu diesem Datum noch keinen Most ausschenken konnte, dem drohte an vereinzelten Orten der Entzug der Schankberechtigung. Dabei kann es sich nicht um Traubenmost sondern nur um neuen Apfel- und Birnenmost gehandelt haben. Wer es schaffte, war offenbar ein kluger und gewitzter Schankwirt, welcher von sich behaupten konnte, dass er es tatsächlich besser weiss.

 Wenn man von Most sprach, meinte man zu der Zeit sauren Most. Also vergorener Saft, bei dem der Zucker – wie beim Wein – von Hefebakterien in Alkohol umgewandelt wurde. Dieser Prozess geschah in einem mehr oder weniger sauberen Keller von alleine. Da es immer und überall Hefebakterien hat, nimmt dieser Prozess eigenständig seinen Lauf. Nur in einer nicht reinen Umgebung klappt das nicht immer: wenn es schmutzig und säuerlich ist, dann hat es mehr Milchsäurebakterien und aus dem Most wird Apfelessig, was allerdings mindestens heute ein ebenfalls sehr geschätztes Produkt ist.

 Im Mittelalter wurden die Menschen nicht vom Alkohol sondern von schmutzigem Wasser krank. Apfelmost wurde daher sehr oft mit Wasser vermischt, damit der Alkohol das Wasser desinfiziert. Gekannt haben dieses Getränk auch schon die alten Römer, welche dazu «Siceris» sagten.

 Heute ist Most, «suuure Moscht», Apfelwein oder Cyder – das englische Wort, das seinen Ursprung offensichtlich im Begriff «Siceris» hat – ein Getränk, welches vor allem nördlich der Alpen gerne getrunken wird. Geniesser schätzen vor allem auch sein leicht herber Geschmack. Damit der Most diese leicht ruche Note bekommt, wird er aus den gerbstoffreicheren Mostäpfeln gekeltert. Je nach Region werden noch mehr oder weniger Mostbirnen und Quitten mitgepresst und vergoren. Natürlich sind alle Sorten unterschiedlich süss und unterschiedlich gerbstoffreich. Als Faustregel kann man aber sagen, dass ein höherer Anteil Äpfel den Most milder und mit mehr Birnen und Quitten herber machen.

 Als Süssmost bezeichnet man den ganz frisch gepressten Saft, welcher noch nicht vergoren ist und also noch seinen ganzen Zuckergehalt hat. Seit Louis Pasteur entdeckt hat, wie man Hefebakterien mittels Pasteurisierung im Schach halten kann und den Gärprozess verhindert, können wir das ganze Jahr Süssmost trinken. 

 Als die Menschen entdeckten, dass man mittels Destillation aus vergorenen Fruchtsäften fast reinen Alkohol herstellen kann, haben unzählige Brennereien aus dem vergorenen Most Schnaps hergestellt. Die etwas verwöhnteren Franzosen haben das Destillat anschliessend noch etwas im Holzfass reifen lassen und es alsdann als Calvados genossen. Hierzulande nannten es die Bauern Träsch, Bätzi oder Bätziwasser.

 Die hoch alkoholhaltigen Getränke führten unweigerlich dazu, dass es landein und landaus zu allen Folgeproblemen von übermässigem Alkoholkonsum kam. Die Schweizer Landesregierung wusste sich nicht anders zu helfen, als die grossen Mostobstbäume fällen zu lassen. Jeder Bauer, welcher seine Bäume fällte, bekam zwischen 1950 bis Mitte der 70er Jahre eine – man ist versucht zu sagen «saftige» – Fällprämie. In der Zeit wurden in der Schweiz über 11 Millionen Bäume umgetan.

 Zu spät hat man realisiert, dass damit eine urtypische Schweizer Kulturlandschaft verschwindet. Nicht nur hat sich das Landschaftsbild dramatisch verändert. Es verschwand damit auch der Lebensraum für unzählige Vogelarten, Fledermäuse und Insekten.

 Dem Alkohol- und damit dem Fällrausch konnte zum Glück Einhalt geboten werden. Heute zählen Cyder, Apfelwein – teilweise sogar reinsortig gekeltert – und Obstbrände zu gesuchten Delikatessen. Kleine und grosse Mostereien produzieren heute hochwertige Getränke mit und ohne Alkohol. Das Apfelsaftschorle ist in der Schweiz eines der meistbestellen Erfrischungsgetränke in der Gastronomie. Deshalb werden in der Schweiz mit Hilfe von Hochstamm Suisse wieder Hochstammbäume angepflanzt und mit viel Liebe gepflegt. Darauf können wir freudig anstossen, zum Beispiel auch mit Chlöpfmoscht, wie perlender Apfelchampagner augenzwinkernd genannt wird.
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«Camping Cuisine»

Meine Camping-Koch-Erfahrungen beschränken sich auf traumatisierende Erlebnisse in der Winter-Rekrutenschule. Sämtliche Versuche, den Inhalt einer Büchse Notvorrates zu erwärmen oder ein Steckenbrot zu backen, scheiterten. Von ganz anderen Erfahrungen zu berichten weiss Bastian Seelhofer. Im Gespräch erzählt er mir, wie die Camping Cuisine zum Erlebnis wird.
«Camping Cuisine»

Sommerzeit ist Ferienzeit. Viele suchen die Erholung in Hotels und lassen sich an Buffets und in Restaurants kulinarisch verwöhnen. Andere finden die Erholung auf (meistens) vier Rädern und erkunden die Feriendestination mit dem Wohnmobil, vulgo Camper.
 
Die Camping-Koch-Erfahrungen des Autors beschränken sich auf traumatisierende Erlebnisse in der Winter-Rekrutenschule. Sämtliche Versuche, den Inhalt einer Büchse Notvorrates zu erwärmen oder ein Steckenbrot zu backen, scheiterten: Kaum war die zum Notvorrat gehörende Büchse mit Brennpaste angezündet, versank sie im tiefen Schnee, und die extra tief gegrabene Feuerstelle war wieder zugeschüttet, bevor der Teig überhaupt um den Stecken gewickelt war. Vor dem Hungertod retteten nur die berühmt-berüchtigten Militärbisquits und die Militärschoggi.
 
Von ganz anderen Erfahrungen zu berichten weiss Bastian Seelhofer. Im Gespräch erzählt er, dass er die Lust am Campen quasi mit der Muttermilch aufgesogen hat. Soweit seine Erinnerungen reichen, hat er mit seiner Familie Ferien im Camper gemacht. Der Vater – ein begeisterter Schreiner mit eigener Schreinerei – hat das Ferienhaus auf Rädern selbst ausgebaut. Nie hat die Familie Seelhofer Ferien irgendwo stationär verbracht, sondern als temporäre Nomaden alle Herren Länder erkundet.
 
Kaum hatte Bastian sein «Billett», baute er in Vaters Schreinerei seinen eigenen Camper. Aus einem alten, orangenen Zweifel-Chips-Lieferwagen entstand das Gefährt, das ihn fortan in jeder freien Minute an nahe und ferne Ziele brachte. Fast zehn Jahre war sein erster, selbstgebauter Camper sein zweites Zuhause. Davon war er zwei Jahre am Stück unterwegs und hat vom hohen Norden bis zum Kap Tripiti – dem südlichsten Punkt Europas – den Kontinent entdeckt.
 
Seine gemachten Erfahrungen wendet er heute als Mitinhaber von Biwak Lab an: In der Werkstatt in Allschwil werden Traumcamper für Individualisten gebaut. Und kaum jemand weiss in der Region besser, wie man unterwegs am besten kocht.
 
Gut geplant ist halb gekocht
Wichtig sei, erzählt er mit grosser Ernsthaftigkeit, dass man sich bewusst ist, wie man sich unterwegs verpflegen will. Wer seine Ferien stationär auf einem Campingplatz verbringt, hat andere Bedürfnisse, als wenn man hauptsächlich «on the road» ist. Die grösste Limitierung ist fast immer der Platz. Vorratsschränke und Tiefkühltruhen gibt es auch in den grössten Campern nicht. Auch der Kochherd bietet selten mehr als ein bis zwei Kochstellen an.
Losfahren und beim ersten Supermarkt einkaufen, ist also keine gute Idee. Auch wenn man einen Kühlschrank an Bord hat: Auf Routen südlich der Alpen wird es in einem Camper wärmer als zu Hause und auch Früchte oder Gemüse, die nicht gekühlt werden müssen, verderben schneller, als man es von zu Hause gewohnt ist.
 
Kultur geht durch den Magen
Überhaupt, meint Bastian, lernt man ein Land, seine Kultur und die Bewohner am besten kennen, wenn man isst, was ist. Also auf den kleinen Wochenmärkten, beim lokalen Gemüsehändler, Metzger oder Fischer einkauft. Essen überwindet jede Sprachbarriere: mit Händen und Füssen auf das zeigen, was man möchte und sich ganz ohne Worte bestens mit der lokalen Bevölkerung verstehen.
Dennoch sollte man immer folgendes an Bord haben: Salz, Pfeffer – wer nicht ohne kann auch Aromat –, Öl und zwei Pack Pasta und zwei Dosen Tomatensauce, als Notlösung, wenn die ganze Dorfbevölkerung genau an diesem Tag den lokalen Heiligen verehrt und kein einziger Laden offen hat.
 
Das täglich Brot
Egal, wie offen man als Entdeckerin und Reisender is(s)t: Das erste, was einem fehlt, ist das heimische Brot. Irgendwann hat man einfach genug vom salzlosen Weissbrot oder von fluffigen Fladen und man hätte Lust, wieder mal in ein chüschtiges Vollkornbrot zu beissen. Auch wenn im Camper fast nie ein Backofen vorhanden ist: die Lösung heisst Omnia-Ofen. Das schwedische Kultprodukt wurde in den 40er Jahren erfunden. Das Einzige, was sich seit seiner Erfindung geändert hat, ist die Farbe des Deckels: Statt schwedisch-blau ist er jetzt rot. Er ist in Hunderttausenden von Wohnwagen, Wohnmobilen und Booten zu finden. Er ist in Berghütten ebenso anzutreffen wie neben Campingzelten oder als Begleiter bei Fahrten im Gelände.
 
Kleine Zelte, grosse Herausforderungen
Wer nur mit einem kleinen Zelt unterwegs ist, schätzt oder begnügt sich oft mit einer frugalen Küche. Das aus dem Französischen entlehnte Wort steht für eine bescheidene und einfache Art des Kochens. Wer schon einmal versucht hat, bei Wind und Regen unter dem kleinen Zeltvordach Spaghetti zu kochen, weiss, wie schnell alles buchstäblich den Bach runtergeht. In solchen Momenten helfen oft nur ein wenig Roggenbrot, das gut verpackt lange haltbar ist, und ein paar Scheiben Dauerwurst, wie etwa ein Landjäger, der auch namentlich perfekt zur Situation passt.

Bubbel-Pizza
Da der Omnia-Ofen in der Mitte eine Art Kamin hat, um die Hitze im Ofen zu verteilen, haben alle Brote, Pizzen, Focaccias oder Aufläufe in der Mitte ein Loch. Man nennt die Brote und Pizzen, die darin gebacken werden, deshalb auch liebevoll Bubbel-Pizza oder Bubbel-Brot.

Zutaten:
250 g Mehl
1/2 Pck. Trockenhefe
wenig Salz
200 ml Wasser
1 EL Olivenöl
1 EL Tomatenmark
100 g passierte Tomaten
1/2 Peperoni
100 g Schinken oder Salami oder eine andere lokale Spezialität
50 g Würfeli eines saisonalen und regionalen Gemüses
100 g Mozzarella oder Reibkäse
Kräuter

Zubereitung:
Mehl, Hefe, Salz, Öl und Wasser in eine Schüssel geben und zu einem Teig verarbeiten und für eine Stunde an einem warmen Ort gehen lassen. Teig in kleine Kugeln formen und die Teiglinge nacheinander in die Form legen. Tomatenmark auf den Teiglingen verteilen, die passierten Tomaten darüber geben, Peperoni, Schinken, Gemüsewürfeli und Reibkäse darüber verteilen und leicht salzen. Für 7 Minuten auf hoher Stufe backen und anschliessend für 30 Minuten auf kleiner Stufe fertig backen. Vor dem Servieren grob geschnittene, frische Kräuter darüber verteilen.
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«Finocchietto selvatico»

Wer Ende August in der Maremma und im nördlichem Latium mit offenem Fenster auf schlecht geteerten Strassen über Land fährt, der wird sich ab und an fragen, wieso es so betörend riecht. Falls am Strassenrand bis zu zwei Meter hohe, dünne Stängel mit kleinen, gelben Blüten wachsen, hast du wilden Fenchel – Finocchietto selvatico – entdeckt.
«Finocchietto selvatico»
Ende August geht auch in Italien der Hochsommer zu Ende. Italiens wichtigster Feiertag Ferragosto ist bereits vorbei und in der Nacht überzieht eine leichte Feuchtigkeit die Erde. Wer zu der Zeit in der Maremma und im nördlichem Latium mit offenem Fenster auf schlecht geteerten Strassen über Land fährt, der wird sich ab und an fragen, wieso es so betörend riecht. Entweder fahren Sie in dem Moment durch eine Pinienallee und Sie riechen den süsslich-harzigen Geschmack der Pinienzapfen, von welchen im kommenden Sommer die Pinienkerne geerntet werden. Oder aber Sie sehen am Strassenrand bis zu zwei Meter hohe, dünne Stängel mit kleinen, gelben Blüten. Dann haben Sie wilden Fenchel – Finocchietto selvatico – entdeckt.

Im Gegensatz zum Gewürzfenchel und Gemüsefenchel trifft man den wilden Fenchel hauptsächlich ausgewildert in Ländern rund um das Mittelmeer an. Er liebt unwirtliche Umgebungen und ist neben etwas zähem Unkraut die einzige Pflanze am Wegrand, welche die Hitze des Sommers ohne Pflege überlebt hat.
Wenn Sie auf Ihrer Fahrt zurück vom Meer am Strassenrand scheinbar liegengebliebene Ape – das kleine, dreirädrige Lastenmofa – oder alte Fiat Punto sehen, so haben die Besitzer nicht illegal ihre Gefährte entsorgt, sondern sind mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Suche nach Finocchietto. Beim Gemüsefenchel geht es bekanntermassen um die Wurzel, beim Gewürzfenchel um die Samen. Der Bitterfenchel, wie er auf deutsch gennant wird, wird hingegen wegen seines frischen, filigranen Laubes, das nach Anis schmeckt und vor allem wegen seiner reifen Früchte, die sich aus den gelben Doldenblüten entwickeln, gesucht und geschätzt.

Er wird deshalb als Bitterfenchel bezeichnet, weil sein ätherisches Öl im Unterschied zum Gewürzfenchel fast ein Viertel bitter schmeckendes Fenchon enthält. Dass bittere Inhaltsstoffe bei Gemüse und Gewürzen den Körper reinigen, ist eine Weisheit, welche nicht nur italienische Mammas kennen. Fenchol wirkt wachstumshemmend auf Bakterien und Pilze und belebend auf das menschliche Zentralnervensystem.

In der Küche verwendet man Finocchietto allerdings nicht nur wegen seiner Bitterstoffe, die Aromen sind nämlich deutlich vielfältiger. Zum Bitteren kommt eine herbe Süsse der Blüten hinzu, welche zusammen den Geschmack eines heissen Sommers bilden.

Die italienische Küche – vor allem in der Maremma und in der Tuscia – ist schnörkellos und konzentriert sich auf das zur Geltung bringen der perfekten Zutaten. Ein paar Stücke Lamm mit genügend Fett und ein paar in grobe Schnitze geschnittene Kartoffeln aus der neuen Ernte kommen für 1.5 bis 2 Stunden in den 160° grad warmen Ofen, wo das Fett langsam verläuft und alles mit genügend Zeit gart. Wenn Fleisch und Kartoffeln zart sind, wird alles mit etwas Meersalz, Pfeffer und grosszügig mit Finocchietto gewürzt.

Gut passen dazu auch noch ein paar Stücke Porchetta. Dafür werden grosse Sauen ausschliesslich mit Finocchietto, Salz und Pfeffer gewürzt und während 10 Stunden ganz am Spiess gebraten.

Zusammen mit Freunden isst und trinkt man bis spät Abends an der grossen Tafel und diskutiert dabei die neuesten Kapriolen der Politiker in Rom. Auch da reichen die Emotionen von bitter bis herb.
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«Rührselig in den Feierabend»

Kürzlich beschrieb mein Kolumnisten-Kollege bei der BaZ Andreas W. Schmid an dieser Stelle, was dem vielfältig interessierten Kolumnisten beim Schreiben alles droht: Höchstleistung sei verlangt und ständig besteht die Gefahr des Bluthochdrucks, Schreibstaus, gar Burnouts. Ein Mentaltrainer versprach Abhilfe – am Schluss hat nur noch geholfen, den Laptop im hohem Bogen wegzuwerfen. Mein Vorschlag an ihn und alle, welche gehetzt durch den Tag eilen: Kochen Sie selbst, langsam und sinnlich.
Selbstverständlich habe auch ich ab und zu Tage, an denen es nicht nach Plan läuft. Etwas verheit oder gelingt nicht auf Anhieb, man findet nicht, was man suchte oder etwas wird versäumt und dann fehlt die Zeit. Aber ich bin sicher: Gehetzt essen und Fast Food ist dann nicht die Lösung.

Jetzt hilft nur genussvolle Entschleunigung: wir kochen einen Risotto. Zuerst entledigen wir uns nervender Technik: keine Handys, die ständig surren oder gar – wie ich kürzlich gesehen habe – daran erinnern, ab wann man essen oder fasten soll. Keine Fitness-Tracker, die nur Rastlosigkeit fördern. Keine Smart- und Digitaluhren, die in aufwendigen Darstellungen visualisieren, wie die Sekunden verstreichen. Sondern ein gescheites Holzbrett und ein scharfes Messer, gescheite Töpfe (ich bin ein grosser Fan von Emaille-Pfannen), eine Flasche Weisswein und eine mechanische Uhr, denn verkochen soll der Risotto ja trotz allem nicht. Ziel ist es, dass der Risotto die sämige Schlotzigkeit und den Biss hat, den die Italiener al dente nennen. Das gelingt nur, wenn man sich mit Hingabe und Konzentration diesem Gericht widmet.

Es gilt ein paar Grundregeln zu beachten. Die erste Herausforderung liegt in der Wahl des Reises. Die bekanntesten Sorten sind Arborio, Vialone und Carnaroli, die teilweise im Tessin, aber vorwiegend in der Poebene und im Piemont angebaut werden. Arborio ist der meistverkaufte Risottoreis, der auch am meisten Stärke beinhaltet. Dadurch neigt Arborio allerdings mehr zum Verkleben als der Vialone, welcher in der Konsistenz meistens cremiger bleibt. Arborio ist also die richtige Wahl, wenn Sie Arancini machen wollen – die gefüllten, frittieren Reisbällchen, die Sie das letzte Mal in Sizilien gegessen haben. Die teuerste, aber für gute Risotti optimale Wahl ist der Carnaroli. Er ist ein grosskörniger Risottoreis der Kategorie Superfino. Seine Körner sind gross und lang mit einer schlanken Perle seitlich der Mitte und einer weissen Fruchtwand.

Das Grundrezept ist einfach: Für zwei Personen in wenig Butter oder Olivenöl eine halbe, sehr fein gehackte Zwiebel anziehen lassen und danach zwei knappe Tassen Risotto glasig werden lassen. Dann mit einem Glas guten, trockenen Weisswein ablöschen. An diesem Punkt die Hitze reduzieren und die Flüssigkeit einkochen lassen. Die auf der Flamme nebenan vor sich hin köchelnde Fleischbouillon nach und nach zugiessen. Selbstverständlich hätten Sie es verdient, einen Risotto zu essen, bei dem auch die Bouillon selbst gemacht ist. Ich verstehe aber, dass Sie hierfür nach dem Feierabend eines geschäftigen Tages vielleicht keine Zeit haben. Verwenden Sie aber dennoch nicht einfach einen Würfel, in dem Dinge zusammengepresst wurden, welche Sie nicht essen wollen. Es gibt gute Fonds oder Extrakte, die eine passable Bouillon ergeben.

Von der Brühe immer nur so viel hinzugeben, dass der Reis gerade bedeckt ist. Dabei bei schwacher bis mittlerer Hitze und unter ständigem Rühren den Reis langsam al dente köcheln. Mit ständig ist nicht oft, sondern immerfort gemeint: nur so lässt sich dem Reiskorn die Stärke entlocken, welche für die Sämigkeit so unabdingbar ist. Das dauert je nach Reissorte bis zu 20 Minuten. Sollten Sie auf die Idee kommen, statt ständig zu rühren, den Thermomix zu programmieren, ist die ganze Entschleunigungstherapie für nichts.

Risotto ist eines der ganz wenigen italienischen Gerichte, wenn nicht gar das einzige, wo Sie Butter verwenden sollten. Sobald der Risotto gar ist, ziehen Sie die Pfanne vom Herd, fügen grosszügig Butter hinzu und verrühren sie mit dem vorher frisch geriebenen Parmesan. Geben Sie dem Risotto jetzt zugedeckt noch zwei Minuten Zeit, um zur Ruhe zu kommen.

Eine italienische Weissheit besagt: «Der Risotto wartet nicht auf die Gäste, die Gäste warten auf den Risotto.» Im besten Fall sitzen Sie also in nächster Nähe der Kochstelle und trinken schon mal ein Glas Weisswein. Spätestens jetzt wissen Sie, wieso Sie auch zum Ablöschen einen guten Wein verwendet haben. Und jetzt sollte es auch mit dem Entspannen klappen.
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«Nomen est Omen: Die gute Louise»

Kürzlich habe ich nach vielen Jahren wieder mal eine «Birre-wegge» gegessen. Ich kann gar nicht sagen, wieso dieses feine Gebäck bei mir nicht mehr auf dem Einkaufszettel stand: Es ist wie in Vergessenheit geraten. Wahrscheinlich war ich so damit beschäftigt, keinen neuen kulinarischen Trend zu verpassen, dass mir das Offensichtliche entging. Wie heisst das Bonmot dazu? «Weshalb in die Ferne schweifen? Das Gut liegt so nah!»
Dabei ist das ein ausserordentlich gutes Gebäck: Dank der Früchte hat es eine angenehme Säure, welche super zum Teig passt, welcher die Birnenmasse umgibt. Leicht gewürzt mit Zimt, Koriander, Muskatnuss und einem Hauch von Anis überhaupt nicht mastig-süss. Und mit seinen Vitaminen auch ein gesunder Leckerbissen auf einer Wanderung oder bei einem langen Arbeitstag.

So kam es, dass ich mich für diese Kolumne wieder ein bisschen ausführlicher mit der Birne beschäftigt habe. Leider haben wir offenbar zusammen mit dem Trend zu immer funktionalerer Ernährung aufgehört, Lebensmittel zu konsumieren, die nach etwas schmecken. Die Birne wird als Tafelobst wenig gekauft und wenn, dann als neue Züchtung, welche bewusst weniger intensiv schmecken sollen. Die heissen dann zum Beispiel QTee und sollen gemäss einem Konsumentenfeedback «fest, grün und absolut geschmacksneutral» sein.

Früher war der Saft der Birne auch ein wichtiger Bestandteil im «Apfelsaft». Aber auch hier mussten die Mostereien den Anteil reduzieren, weil die Konsumenten nach «leichtem» Geschmack verlangen. Fairerweise muss dazu gesagt werden, dass dieser Trend nicht ganz neu ist. Denn sonst gäbe es wohl die Birreweggen nicht. Denn schon früher konnten die Bauern nicht alle frischen Birnen verkaufen und haben sie – um keinen Verlust hinnehmen zu müssen – gedörrt oder an der Sonne getrocknet. Aus diesen Dörrfrüchten haben die Frauen im Spätherbst dann eine Früchtemasse kreiert, diese in einem Teig eingerollt und das Ganze im Backofen gebacken. Dabei nutzten sie die Restwärme im Backofen nach dem Brotbacken.

Es ist ausgesprochen schade, dass unter den typischen Hochstamm-Obstsorten ausgerechnet die Birne so einen schweren Stand bei uns Konsumenten hat. Denn hochstämmige Birnbäume prägen unser Landschaftsbild seit Jahrhunderten. Wenn irgendwo ein richtig, richtig grosser Obstbaum steht, dann ist es höchstwahrscheinlich ein Birnbaum. Sie bilden majestätische pyramidale Kronen und können ein sehr hohes Alter erreichen.

Damit sind sie nicht nur einfach ein schönes Fotosujet für den Heimat-Kalender, sondern wertvolle Kulturlandschaftselemente und wichtiger Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen. In den letzten 20 Jahren fielen Birnbäume jedoch mehr noch als andere Feldobstbäume der Kettensäge zum Opfer. Siedlungsdruck, mangelnde Pflege und eben fehlende Wirtschaftlichkeit wegen schlechter Absatzmöglichkeiten sind die Gründe.

Seit mir das wieder bewusst wurde, habe ich wieder explizit Birnen auf meinen Einkaufszettel geschrieben: Sie passen nicht nur wunderbar auf eine Käseplatte, sondern lassen sich auch gut bei Rezepten einsetzen, welche eigentlich mit Äpfeln gemacht werden. Kürzlich konnte ich Gäste mit einer Tarte tatin begeistern, bei welcher ich statt Äpfeln Birnen verwendet habe. Die Verbindung der Aromen des karamellisierten Zuckers mit der Säure der Birne: delikat!

Überhaupt werden Früchte auch in der «salzigen» Küche total vernachlässigt. Ein ganz profanes Tortellini-Rezept mit Salbei-Butter habe ich kürzlich mit dem Hinzufügen von ein paar Birnenschnitzen zu einem Highlight «gepimpt». Einfach die Birnenschnitze zusammen mit den Salbeiblättern in Butter anziehen lassen, bis die Birnenschnitze leicht karamellisiert haben und die Salbeiblätter knusprig sind. Wenn der Butter noch ein grosszügiger Schluck Olivenöl beigefügt wird, wird die Butter auch nicht braun und transportiert die Aromen vorzüglich. Dafür habe ich schlicht und einfach die «Gute Luise» verwendet, und es wurde mir wieder mal bewusst, wieso bereits die Lateiner recht hatten, als sie sagten: «Nomen est omen!»
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«Essen per Handy»

Als Kolumnist durfte ich den Lesern der BaZ alle drei Wochen ein paar «gepfefferte» Gedanken zum Thema Essen und Genuss auftischen. Irgendwann hatte der Verlage kein Geld mehr für Kolumnisten denn der Verlag hat der Zeitung die Strategie «mobile first» verordnet. Als Kolumnist weiss ich selbstverständlich nicht genau, was diese Strategie beinhaltet.
In der Werbung und Kommunikation versteht man darunter, dass alles – also Technik, Inhalt und Ansprache – darauf ausgerichtet ist, dass der Inhalt auf dem Handy konsumiert wird. Von «Lesen» traut man sich in dem Zusammenhang schon fast nicht mehr zu sprechen. Über den Tag verteilt werden dem Publikum – respektive im Marketingslang «der Audience» – unter mehr oder weniger reisserischen Titeln zielgruppenorientierte News-Häppchen serviert, die dann hoffentlich zu Klicks, Likes, Kommentaren und somit zu Werbeeinnahmen führen.

Jedenfalls führte diese Strategie dazu, dass es diese Kolumne (und andere) nicht mehr geben soll. Denn wer will schon rund 4'200 Zeichen über Genuss und Lebensfreude lesen? Das hat ja auf keinem Handybildschirm Platz. Und empören kann man sich dabei auch nicht recht. Logisch, dass es da auch keine Kolumnisten mehr braucht. Wahrscheinlich im Zeitalter von Influencern sowieso ein aussterbender Beruf. (Ich sehe leider auch gar nicht mehr so knackig aus, wie alle diese Instagram-Stars).

Aber eigentlich kann man dem Verlag keinen Vorwurf machen. Er setzt mit der neuen Strategie nur um, was wir als Konsumenten und Gäste auch im kulinarischen Bereich schon längstens machen und offenbar fordern. Auf der Strasse schneiden sich die unterschiedlichen Kuriere gegenseitig den Weg ab: auf ihren Autos und Rucksäcken steht JUST EAT!, UBER EATS oder einfach nur «eat!» Wir bestellen unser Essen – also eigentlich müsste ich sagen unseren Food – über das gleiche Handy, über welches wir kurz vorher ein Newshäppchen oder einen Instagram-Post konsumiert haben.

Im kürzlich eröffneten neuen McDonalds am Centralbahnplatz versucht man lästige und unerwünschte Interaktion zwischen dem Gast und den Mitarbeitenden auch mit Apps und Terminals zu verhindern. An grossen Automaten kann man – bloss zwei Meter von der eigentlichen Theke entfernt – sein Meal zusammenstellen. Ich bin sicher: es geht nicht mehr lange, da bringt mir eine Drohne mein Food nach Hause oder ins Office.
Selbstverständlich sind all diese verschiedenen Super-, Fast- und Streetfoods hygienisch in verschiedene Folien, Dosen und Schachteln verpackt. Während wir mit der einen Hand den Wrap oder Burger auspacken und essen, tippen wir mit der anderen auf der Newsapp den nächsten Artikel an, welcher über die Bedrohung durch Mikroplastik aufmerksam macht. Unsere Empörung ist gross und wir machen mit einem zornigen Emoji unserem Unmut Luft.

Aber zum Glück gibt es die Apps der Krankenkassen. Die belohnen mich dafür, dass ich die Treppe statt dem Lift nehme, das Velo statt das Tram, und ich über Mittag statt einer Happy Waffel einen Powerdrink konsumiert habe. Wenn das Fitness-Armband zudem merkt, dass ich 10'000 Schritte gelaufen bin, dann werde ich mit einem Bonuspunkt belohnt.
Nach solch anstrengenden Tagen ist es natürlich etwas viel verlangt, zuhause noch aufwendiges Essen zuzubereiten. Zum Glück haben Betty und Anna bereits für mich vorgekocht und ich muss die gluschtigen Mahlzeiten – von Ernährungsspezialisten für mich entwickelt – nur noch schnell in der Mikrowelle erwärmen. So bleibt mir auch ein bisschen mehr Zeit, um auf Netflix eine neue Folge von Chef's Table anzusehen, wo mir die weltweit besten Köche vorgestellt werden.

Diese letzte Kolumne schreibe ich im Homeoffice. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga versichert, das Leben höre nicht auf. Es sei bloss verlangsamt. Sehen Sie es als Chance, das Handy aus der Hand zu legen und wieder mal selbst zu kochen. Zum Beispiel eine Aubergine.
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«Die Blustfahrt»

Ich bin mitten in Basel und mitten in den 60er Jahren geboren. Meine Jugend war geprägt von einer Stadtluft, welche nicht nur nach dem Unglück in den Schweizerhallen nach Chemie roch, von Popmusik mit englischen Texten, von Vollversammlungen im Schulhaus und von frisierten Töfflis. Meine Aufmerksamkeit galt weniger den Hausaufgaben als den Mädchen auf dem Pausenplatz.
Am Wochenende standen die Abenteuer im Wald mit den Pfadifreunden auf dem Programm. Je nachdem, wie spät ich am Samstagabend vom Ausgang heimkehrte, war ich mehr oder weniger kreativ und erfolgreich darin, eine Ausrede für den Sonntagsspaziergang mit den Eltern und im schlimmsten Fall Verwandten zu erfinden. Kein Grund war allerdings wichtig genug, um im Frühling die Blustfahrt ins Baselbiet zu schwänzen. Da gab's kein Pardon.

Leon Huber sprach zwar in den 70er Jahren in der Tagesschau im Schwarz-Weiss-Fernseher von einer Ölkrise und die Preise für das Benzin stiegen ins Unermessliche. Aber die Blustfahrt im Frühling war wichtiger als die Sorgen um eine wirtschaftliche Rezession. Vater steuerte das Familienauto mit noch mehr Elan als an einem ganz gewöhnlichen Ausflug Richtung Baselbiet und Fricktal. Tatsächlich imponierten auch mir die grossen, ehrwürdigen Bäume. Wenn wir besonderes Wetterglück hatten und die Bäume just an jenem Sonntag in voller Blüte standen, erweckten sie den Eindruck, als seien sie komplett eingeschneit.
Ein paar Jahre später: Öl- und sonstigen Krisen waren längst vergessen. Die 80er Jahre boomten und alles schien möglich. 1982 machte in Zürich das erste McDonalds-Restaurant der Schweiz auf. Wenn wir trotzdem mal einen Apfel assen, dann hiess der Granny Smith. Er war knallgrün und glänzte wie ein Auto frisch aus der Waschstrasse. Fast hatte man den Eindruck gewinnen können, Äpfel wären nie anders gewesen: gemäss der Reklame im Fernsehen – die war in der Zwischenzeit auch farbig – war nur diese eine Haftcreme gut genug, mit welcher man diese superknackigen Äpfel essen konnte und von Shampoo bis Waschpulver schmeckten alles nach Äpfeln.

Die Blustfahrten machten wir – der Beharrlichkeit meiner Eltern sei Dank – aber weiterhin. Aber man kann nicht umhin festzustellen, dass es immer weniger der grossen, ehrwürdigen Bäume gab. Wo früher ganze Hügelzüge voll der majestätischen Bäume standen, hatte es jetzt Obstplantagen, wo kleine Bäume in Reih und Glied standen. Bewässerungssysteme durchzogen die Anlagen, ausgeklügelte Systeme stellten sicher, dass keine Last wie Hagelkorn oder Vogel den riesengrossen Kirschen etwas anhaben konnten. Quasi automatisierte Obstproduktionsanlagen. Auch die heimischen Früchte brauchten jetzt den Vergleich mit den Äpfeln aus Australien und den Kirschen und Pflaumen aus Südafrika nicht mehr zu scheuen: Gross, saftig und in den schönsten Farben. Nur geschmeckt haben sie leider nicht mehr nach viel. Und sie waren so makellos, dass einem Zweifel aufkommen mussten, ob diese Früchte überhaupt noch an Bäumen wuchsen.

Heute bin ich als Restauranttester, Rezept-Kolumnist und Gastro-Konzepter tätig und bin Hochstamm Suisse sehr dankbar, dass sie mir und den Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten die grossen Hochstammbäume zurückbringen. Nicht nur, wenn ich nach wie vor im Frühling – jetzt zwar mit dem Motorrad – eine Blustfahrt mache und mich die grossen Bäume an meine glückliche Jugend erinnern, sondern auch, weil ich ständig auf der Suche nach geschmackvollen Früchten für meine Rezepte oder Produkte bin.

Auf meinen Entdeckungstouren konnte ich schon so viele Produkte entdecken, die weder in Neuseeland angebaut werden, noch in hiesigen, hochintensiven Anlagen «produziert» werden können. Es sind die Früchte, die nicht zu den grössten, knackigsten und unversehrtesten gehören, aber dafür viel Geschmack, eine lange Geschichte und sehr viel Heimat haben.
Wer jemals einen Suurgrauech aus Peter Zahners mystischem Garten in Mostindien gegessen hat, wird nie wieder einen anderen Apfel als den Suurgrauech, welcher übrigens überhaupt nicht sauer ist, für seine Wahe haben wollen. Oder wer je an einem von Bruno Muff aus eigenen Früchten destillierten Gelbmöstler gerochen hat, wird diesen Geschmack dieser uralten Birnensorte entdeckt, der bekommt erst eine Ahnung, was der Begriff Fruchtdestillat bedeuten kann. Erst wem die Augen schon ein bisschen gebrannt haben vor Rauch, der aus den Casinas genannten Hütten aufsteigt, in denen Marco Giovanoli die Kastanien über dem Feuer trocknet, hat einen Eindruck davon, welche lange Tradition und Bedeutung die seit Generationen gepflegten Selven im Bergell haben.

Dass nicht nur ich mich über die Früchte der verschiedensten Hochstammbäume freue, sondern auch viele vom Aussterben bedrohte Tiere sich in diesen Landschaften so wohl fühlen, macht diese Gärten umso wertvoller. Im Schlossgarten von Claude Gerber in Porrentruy habe ich das erste Mal in meinem Leben Steinkäuze gesehen, die sonst nur noch im Tessin und in der Nähe von Genf leben. Und im Apfelgarten von Brunners schauen Wiesel dazu, dass es nicht zu viele Mäuse gibt. Fledermäuse finden in den Baumhöhlen in den alten Bäumen von Thomas Ohler optimalen Schutz und man hört den Gesang des Trauerschnappers.

Heute weiss ich, dass es richtig war, dass mir meine Eltern am Sonntag der Blustfahrt keine Ausrede durchliessen und mich mitnahmen in diese Kulturlandschaften, welche unser Land zum Glück heute wieder massgeblich prägen.